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Der allmähliche Tod des Wirtschaftsliberalismus in Deutschland

27. September 2024 by Stephan-Götz Richter

Erschienen in Handelsblatt (PDF) | (URL)

Obwohl der Wirtschaftsliberalismus die Grundlage für die Aufrechterhaltung und Fortsetzung des Sozialstaats ist, tun SPD und Grüne alles dafür, ihn zu verhindern.

Wieder einmal ist es um die FDP nicht gut bestellt. In der Ampelkoalition ist die Partei in vielerlei Hinsicht zu einer de facto zweiten grünen Partei degeneriert – kein Wunder, dass sie sich nach den Wahlergebnissen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg überflüssig gemacht zu haben scheint. Zudem werfen ihr ihre beiden Partner in der Ampelregierung vor, dass es allein die Bockigkeit der FDP sei, die den Fortschritt der Republik aufhält. Doch stimmt das?

Für den mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung sind alle drei Parteien gleichwertig verantwortlich

SPD und Grüne machen es sich mit ihrer Kritik viel zu leicht. Für den mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung sind erstens alle drei Parteien gleichermaßen verantwortlich. Und zweitens repräsentiert die FDP indirekt – weit über ihre knapp fünf Prozent auf Bundesebene hinaus – wirtschaftspolitisch auch viele Teile des bürgerlichen Spektrums, die sich nicht von den beiden anderen Ampelparteien repräsentiert sehen.

Angesichts der sich dramatisch verschlechternden internationalen Wettbewerbslage für die deutsche Wirtschaft, die natürlich erhebliche Konsequenzen für unseren künftigen Wohlstand und die Finanzierbarkeit des Sozialstaats hat, ist es ein Spiel mit dem Feuer, die Wirtschafts- und Wachstumsagenda, die Christian Lindner voranzubringen versucht, kaltzustellen.

Denn damit graben sich insbesondere SPD und Grüne perspektivisch genau das Wachstums- und Wohlstandspotenzial ab, dass sie ja längst nicht nur zum Ausbau ihrer sozialpolitischen Pläne, sondern schon zur Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Leistungsvolumens unbedingt brauchen.

Wer dann noch, wie Bundeskanzler Olaf Scholz in einem wahren Juso-Moment, davon spricht, dass das „Klagen das Lied des Kaufmanns“ sei, der hat gänzlich nicht begriffen, wer und was überhaupt die Existenzgrundlagen zur Ausgestaltung der Politik schafft. Und wenn im Gewerkschaftslager und links der Mitte weiterhin die Vorstellung vorherrscht, dass die Sozialpolitik in Deutschland immer noch viel zu schwachbrüstig aufgestellt ist, der kann sich nur auf eine mögliche Erklärung stützen: Er oder sie hat von den weltwirtschaftlichen Realitäten keine Ahnung.

Allgemein herrscht der Irrglaube, dass Deutschland auf ewig ein reiches Land ist

Die hinter alldem steckende Maßlosigkeit ist frappierend. Sie beruht offensichtlich auf der Grundannahme, dass Deutschland auf ewig ein reiches Land ist und es daher nur darum gehen kann, den vorhandenen Kuchen immer weiter in einer ausufernden Ausgestaltung der Sozialpolitik zu verteilen.

Dass uns aktuell die Grundlagen unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit wegbrechen, die stark auf einer exportorientierten und grundstoffbasierten Industrie beruhten, wird sorgsam übersehen. Dass die gewerkschaftlich verhandelten Beschäftigungsgarantien, so wie bei Thyssen und VW, wie ein Mühlstein um die Konzerne liegen und deren Zukunftschancen untergraben, wird genauso verkannt. Hinzu kommt, dass die von SPD und Grünen unablässig propagierte Aufhebung der Schuldenbremse angesichts unserer trägen Verwaltung, der Überregulierung und des eklatanten Fachkräftemangels ja kaum zu einem Investment-Boom führen würde.

Es wird schlicht nicht verstanden, was der allmählich greifende Abbau von Industriearbeiter Jobs für das Sozialversicherungsabkommen in Deutschland in der Zukunft bedeutet. Zumal wir aufgrund der mangelnden Akzeptanz des Strukturwandels in Deutschlands nach wie vor zu wenige Jobs im Dienstleistungsbereich haben, die von ihrer Tätigkeit her gut bezahlte Industriearbeiter-Jobs in dem entsprechenden Maß ersetzen könnten.

Kurzum: In Deutschland gibt es keine Partei mehr, die die Grundlagen einer erfolgreichen Wirtschafts- und Wachstumspolitik konsequent verfolgt. Am Ende könnte es sich für die Geschichte der Bundesrepublik als Katastrophe herausstellen, dass der Wirtschaftsliberalismus in unserem Land zunehmend als ein Sonderinteresse einer kleinen Klientel missverstanden wird. Der Wirtschaftsliberalismus – also eine erfolgreiche Umsetzung einer effektiven Wachstumsagenda – ist die Grundlage für die Aufrechterhaltung und Fortsetzung unseres Wohlstands. Doch die SPD und die Grünen betrachten eine solche Agenda als Fremdkörper, den es zu verhindern gilt.

Auch der CDU/CSU fehlt es an entsprechender Zielstrebigkeit. Die Union ist erwiesenermaßen immer bereit, im Interesse ihrer machtpolitischen Anschlussfähigkeit an die Grünen und die SPD in vorauseilendem Gehorsam wirtschaftspolitische Realitäten zur Disposition zu stellen.Ein Beispiel dafür ist die Aussage des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz, dass es mit der Union keine Rente mit 70 Jahren geben wird.Das ist aufgrund der demografischen Entwicklung ein offensichtlicher Fall des Populismus.

Ernst zu nehmende Wettbewerbernationen haben auf internationaler Ebene längst verstanden, dass das Rentenalter fortdauernd an die demografische Entwicklung und steigende Lebenserwartung gekoppelt werden muss.

Kategorie: In Print/Online Stichworte: Deautschland, Die Grünen, Handelsblatt, SPD, Wirtschaft

Stephan-Götz Richter

Stephan-Götz Richter ist Herausgeber und Chefredakteur von „The Globalist“, einem Online-Magazin für globale Ökonomie, Politik und Kultur.

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