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Wohlstandsverlust? Schuld ist nicht die AfD

1. September 2023 by Stephan-Götz Richter

Erschienen in Handelsblatt (PDF) | (URL)
USA

Der Versuch, der AfD die Verantwortung für unsere Wirtschaftskrise zuzuweisen, geht fehl. Hauptverantwortlich sind andere.

Ja, die AfD schadet dem Ansehen Deutschlands. Aber wenn es um die Frage geht, ob es wirklich diese unter der Kuratel von Björn Höcke stehende und völkisch versiffte Partei ist, die „unseren Wohlstand aufs Spiel“ setzt, sollte man es sich nicht bequem machen.

Die bei knapp 70 Prozent der Bevölkerung bestehenden Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Staates beruhen ja nicht darauf, dass die AfD den anderen Parteien die Hände fesselt, um gute Gesetzgebungs- und sonstige Reformmaßnahmen zu verhindern.

Diese Einschätzung wird von internationalen Investoren geteilt. Sie wissen, dass die AfD weit weg ist von den Schalthebeln der Macht.

So wie die Unternehmer hierzulande sorgen sie sich mit Blick auf Deutschland vor allem um Themen wie Energiekosten, Überregulierung, Steuer- und Abgabenhöhe, fehlende Fachkräfte, Infrastruktur und ewig währende Entscheidungsprozesse.

Der AfD kann und muss man vieles vorwerfen, aber nicht die Verantwortung für die aktuelle wirtschaftspolitische Malaise. Wer das dennoch tut, verwechselt Ursache und Wirkung oder will, was wahrscheinlicher ist, von den wahren Verantwortlichen ablenken.

Vorstoß gegen AfD ist kontraproduktiv

Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des BDI und ehemalige CDU-Ministerin, sowie Harald Christ, heute Lobbyist, ehemals Schatzmeister der FDP und 2009 vom damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier als Wirtschaftsminister vorgesehen, betreiben genau dieses Spiel.

Mit sehr ähnlich lautenden Schlachtrufen („Die AfD setzt unseren Wohlstand aufs Spiel“ – so Gönner – beziehungsweise „die AfD kostet uns Wohlstand“ – so Christ) wollen sie die aktuelle Gefährdung des Standorts prominent an der AfD festmachen.

Ihr Manöver zielt offensichtlich darauf ab, Wohlgefallen in der Ampelkoalition sowie den ihr geneigten Medien zu erheischen. Der Vorstoß von Gönner und Christ geht aber nicht nur in der Sache fehl. Er ist obendrein kontraproduktiv.

In den vergangenen Monaten hat sehr deutliche Meinungsäußerungen von CEOs von Großunternehmen und führenden Mittelständlern gegeben, die sich sehr kritisch zum Regierungshandeln geäußert haben. Das war – und ist – erfrischend, weil eine solche Deutlichkeit in deutschen Wirtschaftseliten alles andere als üblich ist.

Die Hauptverantwortung für unsere heutige Misere tragen die Regierungsparteien – also aktuell SPD, Grüne und FDP und zuvor lange Jahre auch die Union.

Klar ist, dass der Zuspruch, den die AfD in Umfragen erhält, in keiner Weise auf Hoffnungen über deren politische Kompetenz beruht. Die Stärke der AfD ist das direkte Spiegelbild der wachsenden Zweifel an den aktuellen und ehemaligen Regierungsparteien. Schon zu GroKo-Zeiten hatten SPD und Union, quasi in vorauseilendem Gehorsam, ihre jeweilige Schnittmenge mit ihrem präferierten Koalitionspartner, den Grünen, maximiert und dabei viel an eigenem Profil verloren. Faktisch haben sie sich den Grünen gegenüber in eine Art freiwilliger Geiselhaft begeben.

Das gilt zum einen mit Blick auf deren Klimapolitik. So notwendig eine gute Klimapolitik ist: Die der Grünen ist leider ebenso hyperoptimistisch wie engstirnig und übertrieben. Zudem ist sie nationalstaatlich angelegt und wird oftmals oberlehrerhaft vorgetragen, dabei eher stümperhaft umgesetzt.

Zum anderen gilt das für immer realitätsfremdere, den Sozialstaat allmählich zersetzende Migrationspolitik der faktisch offenen Grenzen, die auch vom linken Flügel der SPD begeistert mitgetragen wird. Solange sich hieran nichts ändert, steht zu befürchten, dass sich der Höhenflug der AfD fortsetzt.

In diesem Zusammenhang sollte uns allen die Kommunistische Partei Italiens ein warnendes Beispiel sein. In den 1970er-Jahren erreichte die PCI, die sich – so wie die AfD hierzulande – als Sammelbecken der Unzufriedenen verstand, mehrfach über 30 Prozent der Wählerstimmen.

Ein abschließender Hinweis: Bei allen identitätspolitisch motivierten Fehlvorstellungen der Grünen wäre es ein grober Fehler, ihnen anstelle der AfD den Beelzebub in die Schuhe schieben zu wollen. Denn es ist in erster Linie der „nicht grüne“ Teil der deutschen Politik, der sich vorhalten lassen muss, nicht mit genügend Entschlossenheit, Realitätssinn beziehungsweise Ehrlichkeit in der Sache zu agieren.

Zudem bedarf es seitens der Wirtschaftsverbände eine klarere Ansprache an die Regierungsparteien. Zu viele Verbandsspitzen tun weiterhin so, als käme es nur darauf an, weiter im Konsens mit der Ministerialbürokratie zu marschieren.

Das ist ein fundamentaler Irrglaube. Sie sehen sich als Restbestand des Wirtschaftsmodells Deutschland AG, das seit fast 25 Jahren so nicht mehr besteht. Sie sind damit Kernbestandteil der Stagnation in diesem Land.

Kategorie: In Print/Online Stichworte: AfD, Deutschland, Handelsblatt

Stephan-Götz Richter

Stephan-Götz Richter ist Herausgeber und Chefredakteur von „The Globalist“, einem Online-Magazin für globale Ökonomie, Politik und Kultur.

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