Stephan-Götz Richter:
Es gibt zumindest Vermutungen, von denen ich als Tatsachenbehauptungen gehört habe, dass es ein massives Problem mit den sogenannten Saldenbestätigungen gibt – also den bilanzrelevanten Dokumenten, die am Ende eines Jahres am Stichtag als Guthaben auf den diversen internationalen Konten von Wirecard bei seinen Partnerbanken verzeichnet war.
Anscheinend sind diese Bestätigungen nicht von EY selbst an die jeweiligen Banken verschickt worden, was ja das mindeste gewesen wäre, und als „goldene Regel“ der Branche gilt, um nicht Betrug und Fälschungen Tür und Tor zu öffnen. Anscheinend hat man nach der Devise gehandelt: “Ach, das sind zu viele, und das ist zu kompliziert. Könnt Ihr das nicht für uns erledigen?”
Wirecard hat wohl angeboten, das zu übernehmen, und hat dann auch die Empfangsbestätigungen bekommen. Dabei sollte allen Beteiligten klar gewesen sin, das man heute im Zeitalter von elektronischen Kontoauszügen solche Belege natürlich auf das Leichteste fälschen kann.
Daher ist die große Frage, ob EY da nicht grobfahrlässig gehandelt hat und dem Wirecard- Betrug praktisch Tür und Tor geöffnet hat. Damit setzt man sich enormen Haftungsrisiken aus. Und ich glaube, das wird eine sehr interessante Frage, die wir in diesem Fall nochmal genau auszuloten haben werden.
Natürlich trifft obendrein auch zu, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften allgemein zu kundenfreundlich sind, weil sie über das Prüfungsgeschäft hinaus von ihren Kunden natürlich vor allen die echt risikolosen und hoch profitablen Beratungsmandate einsammeln wollen. Dieses Spiel führt zu einer echten Herumeierei.