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Stephan-Götz Richter
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China: Eine Sache des Glaubens

March 26, 2014 by Stephan-Götz Richter

Michel Temer/Flickr

Erschienen in Handelsblatt.

Zugegeben, Wladimir Putin und Barack Obama dominieren derzeit die globale Agenda. Doch gibt es zwei andere Männer, die über viel größere Reiche herrschen. Bei dem einen handelt es sich um Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping. Der andere ist Jorge Mario Bergoglio, ein argentinischer Jesuit, besser bekannt als Papst Franziskus.

Wie der Zufall es wollte, übernahmen beide gleichzeitig im März 2013 ihr Spitzenamt. Beide Männer wurden damals zu Oberhirten riesiger „Herden“ von Menschen berufen, die jeweils deutlich mehr als eine Milliarde zählen. Doch damit der Parallelen nicht genug: Chinas Kommunistische Partei (KP) wie auch die katholische Kirche basieren auf einer männlich dominierten Machtstruktur. Und sie ruhen auf Ideologien, die mit einem Absolutheitsanspruch ausgestattet sind, was heutzutage immer schwieriger durchzuhalten ist.

Die neuen Führer Chinas und desVatikans haben sich beide vorgenommen, endlich mit derVerschwendungssucht und den ethisch sowie strafrechtlich bedenklichen Machenschaften ihrer jeweiligen Hierarchien aufzuräumen. Außerdem wollen sie die Armut in der breiten Bevölkerung bekämpfen.

Nach zwölf Monaten im Amt zeigt sich, dass Papst Franziskus einen effektiven Start gehabt hat. Er ist auf gutemWeg, mit den hergebrachten Praktiken imVatikan zu brechen. In seinen öffentlichen Auftritten unterstreicht er stets seine Absicht, der Selbstbezogenheit des hohen Klerus und seiner Entfremdung von den Gläubigen entgegenzuwirken. Auch die diversen Skandale, die trotz allerVertuschungsversuche ans Licht gekommen sind, will Papst Franziskus aufarbeiten. Dazu zählen sexuelleVerfehlungen seitens der Priesterschaft ebenso wie finanzielle Missetaten.

Obwohl niemand die Offenheit von Franziskus infrage stellt, bleibt abzuwarten, ob sich die mächtige Hierarchie desVatikans wirklich in die Knie zwingen lässt. Die zum Teil mafiahaften Strukturen innerhalb der Kurie werden sich nicht ohne Gegenwehr auflösen. Es gibt zu viele, die sich im Status quo bestens eingerichtet haben.

In China stellen die Machtstrukturen innerhalb der KP die Führung des Landes vor ganz ähnliche Herausforderungen. Auch die KP ist nicht frei von Sexskandalen. Und für die dunklen finanziellen Machenschaften vieler Parteigenossen ist das wirtschaftlich aufstrebende China der ideale Nährboden. Vor diesem Hintergrund wenden sich bei beiden „Religionen“ immer mehr Gläubige ab. Sie identifizieren sich nicht mehr mit ihnen – oder haben die Hoffnung auf eine ernsthafte Trendwende aufgegeben.

In China haben die von der „NewYork Times“ enthüllten Milliardenvermögen der politischen Machtelite und ihrer Familienclans dasVertrauen der breiten Bevölkerung nachhaltig untergraben.Viele Chinesen sind frustriert, dass Politiker auf allen Regierungsebenen öffentliche Gelder in die eigene Tasche wirtschaften und obendrein in ausländische Steueroasen transferieren.

Dieser selbstzerstörerische Mechanismus wird sich nur sehr schwer zurückdrehen lassen. Dennoch braucht Präsident Xi Jinping eine symbolträchtige Maßnahme, um die Selbstdisziplinierung voranzutreiben. Um der Partei eine glaubwürdige Zukunft zu geben, muss er seine Autorität stärken.

Allerdings birgt mehr Offenheit auch das Risiko, den Zorn der Insider auf sich zu ziehen.Will die KP allerdings ihre Legitimation bewahren, hat sie – ganz ähnlich wie derVatikan in seinen Gefilden – keine andere Wahl: Sie muss nicht nur in Peking aufräumen, sondern auch auf Provinz- und Kommunalebene, solange das Korruptionsproblem noch gerade eben beherrschbar ist.

Der Papst weist denWeg. Über die Skandalbekämpfung hinaus hat er zu weiteren innovativen Maßnahmen gegriffen. So fordert er eine stärkere Rolle von Frauen in der Kirche und beauftragte die Bischofskonferenzen in allerWelt, ihre Gläubigen über deren Einschätzung von Kernfragen der katholischen Lehre zu befragen – ein für die katholische Kirche erstaunlicher Schritt zu mehr „Kundenorientierung“.

Die chinesische Führung bewegt sich in die gleiche Richtung, wenn auch auf ihre ureigene Art. Die Partei hat ein neues Gesetz über die „Verbreitung von Gerüchten im Internet“ erlassen, das ihr vor allem hilft, die Mikrobloggerszene zu überwachen. Neben aller Gängelung dient es auch einem politisch konstruktiven Zweck: Die politische Führung erhält so direktes Feedback aus der Bevölkerung zumVerhalten und dem Erfolg ihrer Parteikader im ganzen Land.

DieWelt darf gespannt sein, welche der Strategien, ob nun die von Präsident Xi Jinping oder die von Papst Franziskus, auf Dauer zum Erfolg führen wird.

Filed Under: In Print/Online Tagged With: China, Vatikan, Asien, Handelsblatt, Xi Jinping, Papst Franziskus, Ideologie

Stephan-Götz Richter

Stephan-Götz Richter ist Herausgeber und Chefredakteur von "The Globalist", einem Online-Magazin für globale Ökonomie, Politik und Kultur.

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