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Die Republikaner haben es nicht besser verdient

August 3, 2015 by Stephan-Götz Richter

Gage Skidmore/Flickr

Erschienen in Zeit Online.

Das Establishment der Republikaner ist schockiert – sogar sehr schockiert: Mit der Resonanz, die der durchweg dreist auftretende New Yorker Milliardär Donald Trump an der Basis erhält, hatte keiner der Granden der Partei gerechnet. Dass er zum aktuellen Spitzenreiter für die US-Präsidentschaftskandidatur 2016 aufgestiegen ist, ist für die Republikaner ein Albtraum. Doch trotz aller Peinlichkeit und allen Wegwünschens unter den Geldgebern der Partei steht eines fest: Donald Trump ist genau der, den die Republikanische Partei als Fahnenträger verdient hat.

Trump zelebriert seinen Reichtum hemmungslos und überschreitet dabei oft die Grenze zur Vulgarität. Darüber hinaus besitzt er eine ausgeprägte Neigung, den Gossenstil der politischen Kommunikation zu pflegen. Trump ist somit das perfekte Vehikel, um die eigentlichen “Werte”, die sich die Republikanische Partei in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu eigen gemacht hat, gebührend zu repräsentieren.

Er ist Republikaner pur, ohne Wenn und Aber. Er sieht keine Notwendigkeit, sich zu entschuldigen. Im Gegensatz zum Rest der Partei lebt Trump das, wofür sie steht – das heißt vor allem: Dreistigkeit und Selbstsüchtigkeit. Denn der Appell ans Gemeinwohl hat bei den Republikanern allenfalls noch einen rhetorischen Stellenwert. Eine Partei, die keinerlei Bereitschaft zeigt, den Klimawandel auch nur als Herausforderung zu akzeptieren, verwehrt sich jeglicher Rationalität. Und eine Partei, deren zentrales Leitmotiv es ist, noch weitere Steuervergünstigungen für die Reichen durchzusetzen, hat mit der Sorge um das Gemeinwohl nichts mehr zu tun. Es ist eine Welt, in der sich jeder einzig und allein der Nächste ist.

Trump und die anderen Neo-Republikaner, die gemeinsam die gediegene Welt von George H.W. Bush und des sogenannten Ostküstenestablishments in Schutt und Asche gelegt haben, symbolisieren das Wesen des heutigen herzlosen Amerika perfekt. Die relative Sprachlosigkeit von Konkurrenten wie Jeb Bush angesichts des Erfolgs von Trump spricht Bände.

Das eigentlich Erstaunliche ist deshalb, dass die Republikaner aktuell so erstaunt sind. Haben sie denn ernsthaft etwas anderes erwartet? Ein Wahlvolk, dem man lange genug die hemmungslose Selbstsucht als entscheidendes Handlungsmotiv näherbringt, wird sich dies irgendwann zu eigen machen. Haben die Parteimanager wirklich geglaubt, dass der zielgruppenorientierte Zynismus, mit dem man dem Wahlvolk gegenübertrat, keine Konsequenzen haben würde? Ein prägnantes Beispiel ist die Umdeutung der Erbschaftsteuer in eine “Todessteuer”. Dahinter steckt der zynische Versuch, den Reichen ihren Reichtum vollkommen ungeschmälert zu belassen.

Dass diese Strategie die Kernprämisse der Vereinigten Staaten von Amerika untergräbt, nach der der soziale Aufstieg für jedermann möglich sei, ist dem republikanischen Establishment offensichtlich schnurzpiepe. Man kann nicht dem vollendeten Egoismus das Wort reden – und dann ernsthaft erwarten, dass ein Edelmann als Präsidentschaftskandidat der Partei erscheint. Einer, der langfristig denkt – und nicht nur an sich selbst. Und man kann nicht konstant in der Parteirhetorik regelrecht Hackfleisch aus den Hoffnungen der Latinos des Landes machen – und dann Bestürzung und Entsetzen darüber äußern, dass der Anti-Einwanderer-Geist à la Trump die Parteibasis begeistert. Die Geister, die sie riefen…

“The Donald” ist somit die unmittelbare Echokammer der Gefühllosigkeit all jener republikanischen Politiker, die gefährlich mit den niederen Instinkten der amerikanischen Bevölkerung mit Blick auf die nichtweißen Immigranten gespielt haben. Es gibt noch eine ganze Reihe von Gründen, warum dieser Anti-Ausländer-Geist so in den Vordergrund gerückt ist. Hierzu zählt vor allem die Tatsache, dass die Anti-Abtreibungs-Bewegung, die der republikanischen Partei lange als ein sehr nützlicher Blitzableiter diente, unter den Wählern an Appellcharakter verloren hat. Doch es bleibt dabei: Man muss den Wählern derbe Kost vorsetzen, um sie von dem Kernprojekt der Republikaner zu überzeugen: Steuervergünstigungen für die Reichsten des Landes.

Trump verkörpert alles, wofür die Republikanische Partei steht

Das elementare Wahlversprechen der Republikaner ist schon phänomenal: Man macht eine Politik für das obere 1 Prozent der Gesellschaft, braucht aber zumindest die Hälfte des Wahlvolks hinter sich, um Mehrheiten zu schaffen. Da bleibt einem doch nur der Weg zum Dreisten. Dies ist auch genau der Punkt, an dem Trumps sogenannter “Know-nothingism” hervorragend ins Konzept passt. Es ist ja nicht nur der Klimawandel, der bestritten wird. Selbst die Realität der menschlichen Evolution wird ernsthaft infrage gestellt. Anstelle von vollkommener Überraschung sollten die republikanischen Parteimanager insofern eher eine Vollzugsmeldung aufsetzen. Das Parteivolk jedenfalls bringt mit seiner ungeschminkten Unterstützung Trumps zum Ausdruck, dass es die eigentliche Botschaft der Partei verstanden hat.

Auch Trumps Ankündigung, der vermeintlich unsäglichen Sarah Palin eine Rolle in seinem Wahlkampf zuzuschanzen, passt perfekt in das Bild. Sie ist die feiste selbstsüchtige Frau, deren Ignoranz im Wahlvolk als perfekte proletarische Antwort für die totale Abgehobenheit der Politik verstanden wird. John McCain beging mit ihrer Benennung als Vizepräsidentschaftskandidatin keinen Fehler – er war nur seiner Zeit voraus.

Am Ende kommt alles zurück auf den berühmten Satz aus dem epochalen Film Wall Street von 1987: “Gier ist gut.” Um die tiefe Ironie des Ganzen angemessen zu verstehen – und vollends zu genießen – hier im Wortlaut die ganze Passage von Gordon Gekko (gespielt von Michael Douglas):

“Der Kernpunkt ist, meine Damen und Herren, dass Gier, aus Mangel an einem besseren Wort, wirklich als gut zu bezeichnen ist. Gier hat eine wegweisende, klärende Funktion. Sie stellt Dinge klar, durchschneidet komplexe Gemengelagen und fängt die Essenz des evolutionären Geistes ein. Last uns die Gier in all ihren Formen umarmen – Gier nach dem Leben, nach Geld, nach Liebe, nach Wissen. Gier ist der Aufwärtsschub, den die Menschheit braucht.”

Gordon Gekko spricht auch diese weniger bekannten Worte aus, die fast drei Jahrzehnte später als hellseherisch anmuten:

“Das reichste 1 Prozent unserer Bevölkerung besitzt die Hälfte Reichtum unseres Landes, 5.000 Milliarden Dollar. Ein Drittel davon stammt aus harter Arbeit, zwei Drittel stammen aus Erbschaft, Zinseszinsen und so fort. Ich helfe reichen Witwen und idiotischen Söhnen, noch reicher zu werden. Es ist Schwachsinn. Ich schaffe mit meiner Arbeit nichts. Ich besitze. Wir machen die Regeln, Kumpels.”

Diese beiden Filmpassagen sind der vollkommene Ausdruck des Mantras der Republikanischen Partei. In diesem Sinne ist Donald Trump die Auferstehung des Gordon Gekko (alias Michael Douglas) für das Präsidentenamt im Jahr 2016. Mit anderen Worten: Das Erscheinen von Donald Trump auf der politischen Bühne hat lange auf sich warten lassen. Aber nun ist er endlich da.

Genau genommen ist Trumps Traum die Umkehrung des Aufstiegs von Ronald Reagan im Jahr 1980. Damals gelang es einem B-Movie-Player, doch noch eine echte Karriere zu machen, indem er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Im Unterschied dazu ist Trump bereits jetzt sehr erfolgreich, aber angesichts der Undurchsichtigkeit vieler seiner Geschäfte – immer noch ein B-Unternehmer. Im Gegensatz zu Reagan ist für Trump die Kandidatur für das Weiße Haus nicht der Schlussstein seiner Karriere, wie es das für Reagan war, sondern etwas Besonderes für den Mann, der sonst schon alles andere zu haben scheint. Gier ist gut – auch die nach Posten. Warum sollte man nicht einfach Hals über Kopf in dieses Rennen einsteigen, ohne sich Gedanken über die möglichen Folgen für alle anderen zu machen?

Eines steht jedoch fest: Die Republikanische Partei hat keinerlei Anlass dazu, wegen Trump “schockiert” zu sein. Trump verkörpert bis ins Letzte genau das, wofür sie mit ihrer ebenso dreisten wie elitär-materialistischen Philosophie steht. Wenn das die Republikaner schockiert, mag das am Ende sogar einen positiven Effekt haben. Da Trump das Spiegelbild der Partei ist, wäre es ein erstes Zeichen von Realitätssinn, wenn man über dieses Spiegelbild entgeistert ist.

Filed Under: In Print/Online Tagged With: Donald Trump, USA, Die Zeit, Republikaner

Stephan-Götz Richter

Stephan-Götz Richter ist Herausgeber und Chefredakteur von "The Globalist", einem Online-Magazin für globale Ökonomie, Politik und Kultur.

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