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Olaf Scholz und die Ironie des Schicksals: Der beste Kanzlerkandidat der CDU

Erschienen in Braunschweiger Zeitung PDF (page) | PDF (article)

Als CDU-Kanzlerkandidat müsste Olaf Scholz nicht länger immer links tun, sondern könnte endlich sein bürgerlich-konservatives Naturell ausleben.

Nun hat Olaf Scholz es endlich geschafft. Er ist zum Kanzlerkandidaten gekürt worden, allerdings in der falschen Partei. Als SPD-Mann hat er so gut wie keine Chancen, den Kanzlerposten zu ergattern.

Ganz anders wäre das für Scholz als Kanzlerkandidat der CDU, zumal sich deren Suche nach einem geeigneten Kanzlerkandidaten ja eher schwierig gestaltet. Wenn Deutschland ein Land wie Großbritannien wäre – und in Olaf Scholz ein Winston Churchill steckte – dann hätte der amtierende Finanzminister schon längst die Partei gewechselt.

Das hätte sowohl auf Scholz wie auch die SPD von heute eine enorm befreiende Wirkung. Denn Olaf Scholz hat sich sein ganzes politisches Leben lang immer anstrengen müssen, hinreichend links zu tun, um bei seinen Parteigenossen anzukommen. Im Prinzip geht er den Weg der permanenten Selbstverstellung schon seit seinen Juso-Zeiten. Dies wird von einem von Scholzens Vorgängern im Amt des Hamburger Ersten Bürgermeisters bereitwillig bestätigt.

Wie schmerzlich es ist, sein bürgerlich-konservatives Naturell auszuleben, hat Olaf Scholz spätestens am 30. November 2019 auf brutale Weise erlebt, als er mit seiner Kandidatur zum SPD-Parteivorsitz scheiterte.

Scholz und die CDU?

Wie jeder Personalberater weiß, sollte eine Organisation, die einen neuen CEO sucht, zunächst eine abstrakte Bedarfsanalyse vornehmen. Und nicht das tun, was sich in der CDU gegenwärtig abzeichnet, nämlich das „In-House“-Kandidatentableau von Laschet, Spahn und Söder bis hin zu Merz durchzugehen.

Die Kernfrage: Welches Persönlichkeitsprofil sollte der geeignete Kandidat aufweisen? Und auch Kundenorientierung ist als Auswahlkriterium wichtig: Von welcher Persönlichkeitsstruktur träumen die Wähler der Union?

Wer so vorgeht, kommt schnell ans Ziel. Kompetent, nüchtern, bescheiden, so lauten wohl die Kernattribute, die in der CDU ankommen. Und nach Merkel will die Partei, die in ihren Strukturen noch immer sehr männerlastig ist, wohl wieder einen Mann an der Spitze. Keine Rampensau, sondern eher einen versierten Politikmanager, der durch seine Vorverwendungen mit entsprechenden Leistungsnachweisen ausgestattet ist.

Im Kern denkt die CDU an eine Art zweiten Helmut Schmidt. Das Problem der Partei ist freilich, dass sie so einen Mann nicht in ihren Reihen hat. Wohl aber die SPD. Von Temperament und Kompetenz her passt Olaf Scholz ziemlich genau in das Raster, das vom Wahlvolk der CDU als bestgeeigneter Kanzlerkandidat angesehen würde.

Vorteilhaft würde sich auch auswirken, dass Scholz von seinem Naturell und Politikverständnis her Angela Merkel sehr ähnelt. Er wirkt fast wie ein Bruder Merkels, was auch die große Vertraulichkeit der beiden in der Spätphase von Merkels Regentschaft erklärt. Zudem glauben beiden nicht daran, große Reden zu schwingen und heroische Zielsetzungen vorzugeben. Das ist pragmatisch, aber das genaue Gegenteil dessen, wonach sich die SPD sehnt.

Scholz, im besten und qualifiziertesten Sinn des Wortes ein Bourgeois, wirkt – so wie die Bundeskanzlerin – immer etwas dröge, wobei er, so wie Merkel, im richtigen Moment durchaus zu einem verschmitzten Lächeln bereit ist.

Aber in einer – wohl eher rein theoretischen – rot-grün-roten Koalition im Bund müsste Scholz neuerliche Spagate in der Selbstverstellung unternehmen. Anders war das mit der permanenten Selbstverstellung übrigens nur zu den Zeiten, als er Hamburg, die reiche Bürgerstadt, regierte. Während dieser Jahre setzte Scholz aktiv öffentliches Geld ein, von dem es in Hamburg aufgrund des Reichtums der Stadt vergleichsweise viel gibt.

Mit einer solch üppigen finanziellen Ausstattung war es nicht schwer, gute Resultate zu erreichen, ob beim Wohnungsbau oder der vorschulischen Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Dennoch sind die Ergebnisse beeindruckend. Sie wären gewiss auch für die Bundesebene wünschenswert.

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