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Precht und Welzer: Der Irrweg von Deutschlands anderen beleidigten Leberwürsten

Erschienen in Focus (URL)

Die Medienwirtschaft ist ein relevanter Teil unserer Volkswirtschaft. Nun beklagen sich zwei Medienprominente in einem neuen Buch über tiefe Strukturdefizite und vermeintliches Unrecht, das ihnen geschehen sein soll.

1. In ihrer Medienschelte wirken Richard David Precht, der selbsternannte Philosoph, und Harald Welzer, der Soziologe, in etwa so glaubwürdig, als ob sich Wladimir Putin jetzt vehement über den Ausbruch des Krieges in der Ukraine beklagen würde. Oder darüber, dass die von ihm ausgelöste „militärische Spezialoperation“ einen für ihn unguten Verlauf vernimmt.

Mit anderen Worten: Die beiden Akteure haben sich von Anfang an als zentrale Akteure in dem Spektakel inszeniert, über dessen Ausgang sie sich jetzt beklagen.

Aufschlussreich ist die Ost-West-Spaltung in der Persönlichkeitsstruktur
2. Über ihrem ganzen Argumentationsgebäude hängt daher eine Mischung von abgrundtiefer Arroganz und Zynismus, elitärer Frustration und anti-demokratischem Geist.

3. Die politisch netteste Interpretation der Haltung der beiden ist, ihr Echauffiertsein als Enttäuschung über ihr offensichtliches Nichtankommen im Status des „Philosophen-Königtums“ zu betrachten.

4. Bemerkenswert ist auch ihr Erstaunen darüber, dass der Journalismus der jüngeren Generation und der, und gerade auch der bisher häufig als links-grün angehaucht angesehene Journalismus, also zum Beispiel der des „Spiegel“ und der „taz“, nicht mehr nach der von Welzer und Precht bevorzugten Marschroute verläuft.

5. Aufschlussreich ist auch die Ost-West-Spaltung in der Persönlichkeitsstruktur der beiden Buchautoren und medienträchtigen Galans. In ihrem reflexiven Impuls, Putin das Wort zu reden, geben sie sich einerseits, obwohl durch und durch Westler der 1970er Schule, als Neo-Ossis im Stile eines Michael Kretschmer.

Das allerdings mit dem feinem Unterschied, dass sie nicht Ministerpräsident sind und damit nicht den verzweifelten Versuch unternehmen müssen, ein Bundesland irgendwie zusammenzuhalten.

Prechts und Welzers Vorgehen ist zynisch
6. Andererseits geben sich Precht und Welzer in höchsten Maße als sehr alt-westlich, weil sie es als selbstverständlich voraussetzen, dass der Bundesrepublik nach 1945 die Freiheit von den Amerikanern geschenkt wurde. Daher geht ihnen auch jedes Verständnis davon ab, dass man für die Freiheit, auch die des gesamten Westens, etwas riskieren muss.

7. Das von der Bedeutung der Freiheit befreite Denken von Precht und Welzer ist insofern erstaunlich, als gerade diesem Begriff eine hohe Relevanz sowohl in philosophischen als auch soziologischen Gedankengebäuden zukommt.

8. Ausgemacht zynisch ist das Vorgehen der beiden, weil gerade sie Meister der medial vermittelten Aufmerksamkeitsökonomie sind. Sie geben sich bewusst als Aufreger und Clickbait. Das nutzt nicht nur der Befriedigung ihres Dorian Gray-Selbstempfindens, sondern natürlich auch ihren Portemonnaies.

Beide hinterlassen einen unangenehmen Eindruck
10. In der Gesamtsicht muss man, mit den Worten des ehemaligen ukrainischen Botschafters in Deutschland Andreij Melnyk, konstatieren, dass sich hier zwei Männer in ihrem gemeinsamen Bemühen, eine beleidigte Leberwurst zu markieren, gegenseitig hochpuschen.

Abschließend hinterlassen die beiden gerade insofern einen unangenehmen Eindruck, als ihnen ein gewisses Herrenrasse-Denken und „Deutschland-über-alles“-Denken zueigen ist. So haben sie unter anderem haben kein Gefühl für die Freiheitsgefühle und Notwendigkeiten anderer europäischer Nationen.

Ihr Solidaritätsgefühl, auch wenn sie es nie zugeben würden, gilt in erster Linie der Apologetik der Verkorkstheiten Russlands.

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