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Die Vasallen der Vereinigten Staaten

Daniel Huizinga/Flickr

Erschienen in Handelsblatt (PDF).

In der Trump’schen Weltanschauung – einer Welt, in der die Vereinigten Staaten per definitionem allen anderen Nationen überlegen sind – ist es im Prinzip unmöglich, dass die USWirtschaft nicht mit so gut wie allen Ländern einen Handelsüberschuss hat. Trump zufolge ergibt sich dieser Schluss ganz logisch aus der Großartigkeit der USA per se. Wenn die USA dennoch irgendwo nicht die Nummer eins sind, ist das ganz klar eine Folge des systematischen Betrugs durch andere Nationen, wie der Präsident dies vor kurzem im Weißen Haus explizit ausführte.

Man würde sich irren, wenn man glaubt, dass Trump es eigentlich besser wissen sollte. In seiner Vergangenheit mag Trump ein Immobilien- Großhai gewesen sein. Als solcher sollte er eigentlich mit den Gepflogenheiten einer Welt vertraut sein, die von Markttransaktionen getrieben wird. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass sich die Marktpreise – und damit auch die Handelsbilanzen – in allererster Linie aus einer endlosen Reihe von einzelnen Kaufs- und Verkaufstransaktionen ergeben.

Nun ist Trumps These, dass gerade bei China Betrug mit im Spiel ist, nicht von der Hand zu weisen. Immerhin ist dies ein Land mit einem totalitären Regime, dessen Wirtschaft – trotz allen Redens von der Marktwirtschaft – effektiv unter dem Joch der Kommunistischen Partei steht.

Jetzt, wo er auf seine 100-Tage-Marke im Weißen Haus zustürmt, zeichnet sich aber auch unmissverständlich ab, dass Trump im Dienst seiner verzerrten Vision des amerikanischen Vaterlandes so gut wie jeden Glauben an das Marktprinzip aufgegeben hat. Das mag freilich auch daran liegen, dass er in seinen eigenen Aktivitäten im Immobiliengeschäft oftmals eher merkwürdigen Geschäftspraktiken nachging, die sehr mit Drohungen und anderen Druckmitteln zu tun hatten.

Alles eine Frage des Willens

Einem Mann, dessen Leben ihm den Eindruck verschafft hat, dass letztlich alles nur eine Frage des eigenen Willens und der eigenen Entschlossenheit ist, können die eigentlichen Gründe für handelspolitische Ungleichgewichte nur schwer vermittelt werden.

So hat etwa das Ungleichgewicht in der USHandelsbilanz gegenüber Deutschland viel mit Amerikas Investitionen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Damals bauten viele US-Multis dort Produktionsstätten auf, um so ihre Marktanteile zu maximieren. Diesen Zusammenhang würde der völlig ahistorische Herr Trump heute zweifellos als „Fake News“ bezeichnen. Und auch die Tatsache, dass die Deutschen auf dem US-Markt kaum „Dumping“ betreiben können, weil die deutschen Löhne und Sozialleistungen nun einmal deutlich höher sind als in den USA, würde er ebenso von sich weisen.

Trumps verzerrter Realitätssinn erweist sich auch daran, dass er den Deutschen vorschlägt, „mehr Buicks“ zu fahren, um so die Handelsbilanz besser zu balancieren. Man fragt sich, ob Trump jemals nachgeschaut hat, für welche Luxuswagen die Immobilienmakler in Boomjahren ihre üppigen Boni ausgeben.

Wie verzerrt die gesamte handelspolitische Denkposition Trumps ist, wird am einfachsten deutlich, wenn man sich einen solchen Weinerling, wie Trump ihn in diesem Politikbereich markiert, als Mitbewerber in seiner früheren Rolle als Reality-TV-Talkshow-Host von „The Apprentice“ vorstellt.

Wenn so jemand vor ihm stehen würde und sich über einen Mangel an „Fairness“ beklagte, wäre Trumps Reaktion zweifellos wie folgt: „Shut up. Solche Weicheier wie dich brauche ich nicht in meinem Team. Du bist ein Verlierer, ein echter Verlierer. You’re fired!“

Emotional getriebener Ansatz

Dass es vielmehr die ungezügelten Kompensationsgelüste der US-CEOs sein mögen, die die USVolkswirtschaft so anfällig gemacht haben, würde er hingegen ganz und gar nicht verstehen. Mit ihrer grotesken Maximierung der eigenen Bezahlung haben sie US-Fabriken regelrecht trockengeblutet, wenn sie diese nicht einfach ganz ins Ausland verlagert haben.

Seit drei Jahrzehnten werden – im vermeintlichen Interesse des Shareholder Values – tiefe
Einschnitte in Ausbildung und Entwicklung gemacht, um auf diese Weise mehr Geld in die Taschen der C-Suite schaufeln zu können.

Trump kann mit dem Thema Komplexität einfach nicht umgehen. Er ist ein rein binär denkender Mensch. Wer sich ihm nicht bereitwillig unterwirft, ist gegen ihn – und gegen Amerika. In der Welt von Trump sind die Reichen eben auch aufgrund der Vorsehung zur Gewinnmaximierung berechtigt.

Um all diese Zusammenhänge zu übertünchen, pocht Donald Trump nun also auf mehr „Fairness“ seitens anderer Nationen. Dass es daran vor allem innerhalb des Landes mangelt, würde Trump überhaupt nicht verstehen.

Daher macht es auch überhaupt keinen Sinn, seine handelspolitischen Vorstellungen aus der Warte der Semantik der „Fairness“ zu untersuchen. Für Trump ist das nur ein Codewort, um seiner Weltanschauung und Verhandlungsstrategie einen schönen Schein zu geben. Dahinter verbirgt sich ein überwiegend emotional getriebener Ansatz.

Das Einzige, was sich analytisch herausschält, ist, dass Trump unter der Ägide seines Direktors des Nationalen Handelsrats, Peter Navarro – eines oftmaligen Autors auf „The Globalist“ – bevorzugt, die Welt als ein Geflecht von rein bilateralen Beziehungen zu begreifen.

Keine Frage, bilaterale Beziehungen sind wichtig. Was aber durch die Trump/Navarro- Weltanschauung unmissverständlich hindurchscheint, ist eine fundamentale Ablehnung des multilateralen Geschäfts. Beide Männer glauben ganz einfach, dass es angesichts der Größe und des Gewichts der Vereinigten Staaten weitaus vorteilhafter für die US-Regierung ist, wenn sich die USA jeden Handelspartner jeweils einzeln vorknöpfen.

Das ist es, was den Vereinigten Staaten am besten erlaubt, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen und, wie Trump es sieht, im vermeintlichen Geist der „Fairness“ am Ende immer die Oberhand zu haben.

Auf diese Weise glauben Trump und Navarro auch, jeglichen Zusammenschluss anderer Nationen verhindern zu können, die gemeinsam internationale Vereinbarungen mit mehr Zähnen abschließen könnten, als den Vereinigten Staaten dies lieb ist.

Dabei spielen Trump und Navarro die Phobien der Konservativen in die Hände. Diese sind bekanntermaßen zutiefst misstrauisch gegenüber allen internationalen Vereinbarungen. Dies nicht zuletzt aus Angst davor, dass die US-Arbeiterschaft am Ende doch noch von den „sozialistischen“ Praktiken wie denjenigen Deutschlands infiziert würde.

Mit dem intendierten Eintritt in eine Welt von „Bilateralismen“ als Kernkomponente der künftigen Handelspolitik der USA hat Trump sich als eine Art Schulhof-Bully positioniert.

Dass es ausgerechnet die USA sind, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt bei der Gründung eines multilateralen Handelssystems, des damaligen Gatt, anführten, die diesen Ansatz verfolgen, ist mehr als befremdlich.

Interessen der Nation stärken

Aber damit nicht genug: Was bei dieser Konzeption hervorsticht, ist, dass Trump damit wenn schon nicht seine russophile, dafür aber gleich seine sowjetophile Neigung offenbart.

Denn im Unterschied zum Gatt verfolgte die Sowjetunion ein entschieden anderes Design. Sie etablierte den Comecon, den sogenannten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe.

Das war eine absichtlich falsche Bezeichnung. Im Kern war der Comecon ein sehr hierarchisch strukturiertes internationales Wirtschaftssystem. In diesem System waren die wirtschaftlichen Aktiva aller Mitgliedstaaten im Kaskadenstil angeordnet, und zwar um einen Hauptzweck zu erfüllen: die Interessen der einen Nation zu stärken, die an der Spitze der Pyramide saß, nämlich der Sowjetunion.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Trumps und Navarros Vision ist, die ganze Welt zu einem neu auferstandenen Comecon zu machen, diesmal unter der Führung der Vereinigten Staaten. In dieser Welt sind wir dann alle Vasallen der USA. So viel zum Thema „Fairness“.

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