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VW spielte in den USA mit dem Feuer

Erschienen in Braunschweiger Zeitung

Der bisher von allen deutschen Firmen in den USA als positives Attribut benutzte Begriff des „German Engineering“ ist auf einen Schlag abgrundtief beschmutzt.

Wenn die Amerikaner ein Wort nicht mit Deutschland in Verbindung bringen, dann ist es das Wort „Betrügereien.“ „Grundsolide“ ist das Wort, dass man in den USA geradezu als Synonym für Deutschland ansieht.

Und wenn dieses Kontrastpaar an Worten auf eine gewichtige deutsche Marke im amerikanischen Markt Anwendung fand, dann war das VW.  Die Autos des Wolfsburger Konzerns wurden von den Amerikanern — trotz aller Versuche, deren Image über den Weg von TV-Werbespots aufzufrischen – als „unexciting,“ also wenig aufregend, dafür aber eben grundsolide angesehen.

Was der Konzern unter Führung von Martin Winterkorn nun an Schaden verursacht hat, geht weiter darüber hinaus. Der bisher von allen deutschen Firmen in den USA als positives Attribut benutzte Begriff des „German Engineering“ ist auf einen Schlag abgrundtief beschmutzt.

Um das wahre Ausmaß der Irritation in den Vereinigten Staaten zu erkennen, muss man sich vor Augen führen, was denn der letzte Fall war, in dem sich die amerikanische Staatsanwaltschaft dazu entschloss, auf eher europäisch gelagerte geschäftliche Belange einzuwirken.

Das war der Fall von Sepp Blatter und der FIFA, einer bekanntermaßen eher kriminellen Organisation. Gerade vor diesem Hintergrund hilft das blassgesichtige Schuld­anerkennt­nis des Videos von Martin Winterkorn nur sehr wenig.

Als Konzernchef muss man ihn – neben der Frage der persönlichen Verantwortung – auch fragen, ob er denn eine Rechtsabteilung hat, die sich auf dem internationalen Parkett wirklich auskennt. Das ist zu bezweifeln.

Gerade Amerikaner wissen eines: Fehler machen alle Konzerne.  Doch wenn man dabei ertappt worden ist, noch dazu bei einem so katastrophalen betrügerischen Fehler wie dem von VW, geht es im Rechtsgeschäft der USA nur noch um eines: so schnell wie möglich echt Farbe zu bekennen.

Wer hingegen zögert und vielleicht hofft, dass das Geschehene ungeschehen gemacht werden kann, der macht alles nur noch viel schlimmer für sich selbst. Das haben die Bankenskandale der vergangenen Jahre bewiesen. Dort sind europäische Banken von den US-Behörden für das gleiche fehlerhafte Geschäftsgebaren zum Teil sehr viel stärker bestraft worden als ihre US-Wettbewerber.

Das lag aber nicht an irgendeinem fehlverstandenen Vater­lands­bewusstsein, mit dem man sich etwa bemühte, die heimischen Konzerne zu begünstigen. Vielmehr ist das darauf zurückzuführen, dass die US-Konzerne wissen, dass man  gerade in dieser Phase proaktiv handeln muss.

Das Rechtsgeschäft in den USA ist grundsätzlich ein anderes als in Deutschland, gerade wenn es um die Staatsanwaltschaft geht. In den USA kann man mit der Behörde immer einen Deal aushandeln, wenn man ihr dazu hilft, auch andere Missetäter im selben Industriezweig zu überführen.

Niemand weiß, ob das in dem konkreten Fall möglich ist – oder ob der VW-Konzern wenn nicht der Alleintäter, dann wegen seines Versuches, auf dem US-Markt wieder Fuß zu fassen und dabei gerade auch auf Dieselmotoren zu setzen, der Haupttäter war.

Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Martin Winterkorn seitens der internationalen Anwaltskanzleien, die den Konzern beraten,  unmissverständlich deutlich gemacht worden ist, dass er nicht in irgendeiner Weise hinter dem Berg halten sollte, nachdem die amerikanischen Behörden ihren Anfangsverdacht formuliert hatten.

Wer das tut spielt mit dem Feuer. Für sich selbst, seinen Konzern und das ganze Industrieland Deutschland.

All das Geschehene ist insbesondere deshalb umso unverständlicher und umso unverzeihbarer, als die Konzernführung immer wieder darauf hingewiesen hat, wie schlachtentscheidend ein verstärkter Erfolg auf dem amerikanischen Markt für das weltweite Geschäft des Konzerns sein würde. Und das nicht nur deshalb, weil die Chefstrategen im VW-Konzern sicher absehen konnten, dass ihr zuweilen phänomenaler Erfolg auf dem chinesischen Markt den VW-Konzern nicht dauerhaft vorwärts ziehen konnte.

Dass diese gesamte US-Strategie, die ja einen Milliarden­aufwand mit sich brachte, auf derlei tönerne Füße gebaut wurde, ist in keiner Weise nachzuvollziehen.

Wenn ein Konzernchef eine Aufgabe hat, dann ist es, derlei Spielereien einen Riegel vorzuschieben, sobald er davon erfährt – um ganz davon zu schweigen, dass er beim Aushecken dieser Strategie beteiligt gewesen sein könnte.

Und selbst wenn man annehmen wollte, dass Herr Winterkorn lange von diesem Projekt nichts gewusst hat, dann ist auch dies ein Grund, seinen Hut zu nehmen. Denn wenn er bei einer derart schlachtentscheidenden Frage seinen Konzern nicht im Griff hat, dann bietet es schon der Selbstrespekt des immer wie ein preußischer Staatssekretär klassischer Prägung auftretenden Martin Winterkorn, auf sein eigenes Schwert zu fallen.

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