stephan-g-richter.de

USA und Iran: Paradoxe Parallelen

Left: Pete Souza/Wikimedia Commons
Right: BotMultichillT/Wikimedia Commons

Erschienen in Die Welt | PDF.

Kommt es zu einer Tauperiode im iranisch-amerikanischen Verhältnis? Die Gespräche über das iranische Atomprogramm lassen die Hoffnung keimen. Doch selbst ein außenpolitischer Verhandlungserfolg könnte in beiden Ländern auf innenpolitischer Bühne rüde zerpflückt werden. Vor zu großen Erwartungen sei daher gewarnt – zu sehr beharren die Konservativen in beiden Ländern darauf, ihre Feindschaft weiter zu pflegen.

Im Iran hat sich unterhalb der politischen Ebene in der jüngeren Vergangenheit viel getan. Das alte Feindbild USA bröckelt. Es wird in der Gesellschaft immer schwerer vermittelbar. Viele jüngere Iraner hegen durchaus Sympathien für die Amerikaner und deren Demokratie. Gerade für die wachsende Gruppe der jungen Städter haben die Vereinigten Staaten große Anziehungskraft. Bei aller Feindseligkeit, die noch immer die offizielle Linie prägt, ist überdies bemerkenswert, wie viele politische Gemeinsamkeiten beide Länder besitzen. Dies gilt insbesondere für die innenpolitischen Herausforderungen, die nicht nur darin bestehen mögen, der eigenen Bevölkerung einen wie auch immer gearteten Kompromiss im Atomstreit zu verkaufen.

Die Parallelen erstrecken sich weit über die aktuellen Schlagzeilen hinaus. Beide Länder haben Präsidenten, denen Reformwilligkeit nachgesagt wird. Gegenüber beiden Präsidenten bestehen aber Zweifel, wie reformbereit und durchsetzungsfähig sie tatsächlich sind.

Obama wird zwar von den Republikanern gerne als „Sozialist“ beschimpft, gilt aber gerade in der eigenen Partei eher als ein Mann, der die etablierten Eliten stützt. Der iranische Präsident Ruhani ist als konservativer Geistlicher, Ex-Atomunterhändler und langjähriger Vertrauter von Ajatollah Khamenei entgegen der weitläufigen Wahrnehmung im Westen alles andere als ein „Softie“. Jenseits aller Wahlkampf- und Wandelrhetorik sind Obama und Ruhani also jeweils fest im jeweiligen politischen Establishment verankert. Doch trotz ihres Konformismus stoßen beide Männer bei der Umsetzung ihrer bescheidenen Reformen auf heftigen innenpolitischen Widerstand. Im Falle des Iran geht es um die Menschenrechte im Allgemeinen. In den USA ist das Hauptstreitthema in diesen Jahren die Gesundheitsversorgung. Obama beißt mit praktisch jedem Vorhaben im Kongress auf Granit. Seine republikanischen Widersacher bewegen sich kaum einen Millimeter in seine Richtung, verlangen von ihm aber in jeder Verhandlung substanzielle Zugeständnisse.

Hassan Ruhani hat im Iran nicht viel mehr Glück. Sein Parlament wird noch deutlicher von den Konservativen dominiert als der US-Kongress. Die Konservativen machen ihm bei jeder Ernennung neuer Kabinettsmitglieder das Leben schwer. Auch davon kann Obama ein Lied singen. Wie der Oberste Gerichtshof der USA ist auch die iranische Justiz eine Bastion der Konservativen, wobei der richterliche Aktivismus in Amerika nicht so weit geht, soziale Medien wie Facebook und Twitter für illegal zu erklären. Im Iran rechtfertigen Justiz und Konservative ihre Haltung häufig damit, das Land befinde sich in einer Art Ausnahmezustand, im permanenten Kampf gegen den Westen.

Übertragen auf den Krieg gegen den Terror, sieht die Situation in den Vereinigten Staaten ähnlich aus. Für westliche Verhältnisse haben Behörden wie die NSA den Bogen überspannt. Auch sie verweisen zur Rechtfertigung auf vage Bedrohungen von außen. Solche Parallelen kommen nicht von ungefähr. Bei näherer Betrachtung der jüngeren Geschichte beider Länder fällt auf, dass ihre jüngeren revolutionären Ereignisse nicht nur zeitlich eng miteinander verbunden sind.

Im Iran kamen die Geistlichen 1979 mit Ajatollah Khomeini an die Macht. Der große Moment der USRepublikaner kam wenig später, als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten gewählt wurde. Ausgerechnet die iranischen Mullahs lieferten der Reagan-Regierung einen frühen Triumph: Sie verweigerten den US-Geiseln die Ausreise, bis Jimmy Carter das Weiße Haus verlassen hatte und Reagan frisch im Amt war. Rund drei Jahrzehnte später sind die Hardliner in den USA und im Iran noch starrsinniger geworden – aus purer politischer Existenzangst. Denn zu Recht sorgen sie sich, dass ihre jeweilige Botschaft bei der breiten Masse nicht mehr ankommt. Zunehmend erreichen sie nur noch die wahren „Gläubigen“, ob die Tea-Party-Anhänger in den USA oder religiöse Konservative im Iran.

Die iranischen Konservativen haben versucht, durch populistische Wirtschaftspolitik eine Schwächung ihrer Position abzuwenden. Doch haben alle Bemühungen, die Preise niedrig zu halten, nur zu ausufernder Inflation von derzeit über 40 Prozent und hoher Arbeitslosigkeit geführt. Inflation ist für die USA kein Problem, aber die Arbeitslosigkeit ist ebenfalls hoch. Beide Länder investieren überproportional im militärischen Bereich, sei es das Atomprogramm im Iran oder der gigantische Verteidigungshaushalt der USA. Angesichts des drohenden Machtverlusts machen republikanische Politgrößen wie Senatsminderheitsführer Mitch McConnell keinen Hehl aus ihrer Absicht, dem amtierenden Präsidenten jeden möglichen Stein in den Weg zu legen. In beiden Ländern leidet das jeweilige konservative Lager unter der demografischen Entwicklung. Jeder dritte Iraner ist jünger als 30 Jahre. Für einen Großteil von ihnen hat die Religion ihre Wirkung als Opium fürs Volk verloren.

Im Falle der USA ist es der wachsende Anteil von Zuwanderern, der die Wählerschaft nachhaltig verändert. So wie im Iran die Konservativen bei der Jugend nicht mehr ankommen, besiegeln die US-Republikaner ihr eigenes Schicksal, wenn sie die wichtige hispanische Wählergruppe weiterhin ignorieren.

Innenpolitisch stehen Obama und Ruhani also vor ähnlichen, großen Schwierigkeiten. Wenn sie die Wiederannäherung beider Länder erfolgreich auf den Weg bringen wollen, müssen sie die konservativen Kräfte bändigen und überlebte Feindbilder entlarven. Die Chancen dafür sehen allerdings eher düster aus. Verhandlungserfolge im Atomstreit würden für beide ein Symbol ihrer persönlichen Durchsetzungskraft bedeuten. Die innenpolitischen Parallelen zwischen dem Iran und den USA bieten paradoxerweise eine Chance dafür.

Die mobile Version verlassen