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Was ist am Wirecard-Skandal besonders frappierend? (Im ARD-Presseclub am 2.8.2020)

Stephan-Götz Richter:

Eigentlich haben wir ja eine sehr umfangreich ausgestattete Bürokratie, die zu allem Überfluss über die letzten 15 Jahre auch noch immer weiter gewachsen ist.

Und normalerweise gilt das Vorsichtsprinzip – getreu dem Motto „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ – in diesen Gefilden eine wichtige Rolle.

Aber bei Wirecard sehen wir stattdessen viel politischen Filz. Die Frage ist doch, ob die Menschen, die da Aufsicht im Finanzbereich betreiben sollen, kulturell überhaupt in der Lage sind, gegenüber den mächtigen Finanzinteressen wirklich effektive Aufsichtsmaßnahmen durchzuführen.

Oder ob wir nach dem Motto “irgendjemand wird das schon geprüft haben” auf einer Art Groupthink operieren, die von der Annahme ausgeht, dass das alles irgendwie schon gut gehen wird.

Wir handeln nicht nach dem Motto „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser“ – obwohl das ja eigentlich das urdeutscheste Prinzip ist. Stattdessen sagen wir lieber “auf Teufel heraus, irgendwie wird das schon hinhauen.”

Eine solche Einstellung ist kulturell fatal. Und dass ist etwas, was wir uns alle als Nation — und jetzt nicht die Berliner Politikblase — anziehen müssen, weil das auf unseren Nationalcharakter zurück reflektiert. Da müssen wir sehr viel besser agieren als wir das bisher getan haben.

Anmerkung: Überarbeitete Fassung der Diskussionsbeiträge von SGR im Rahmen der ARD-Presseclub-Sendung vom 2.8.2020 zum Thema Wirecard (7:05 – 8:17)

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