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Die Kongresswahlen in den USA – Erfolg oder Niederlage für Trump?

Erschienen in ARD Presseclub (URL)

Jörg Schönenborn:

Haben die US-Kongresswahlen einen positiven Einfluss auf Europa?

Stephan Richter:

Weniger spürbar als wir in Europa glauben. Das Repräsentantenhaus, das die Demokraten jetzt wieder übernommen haben, bedeutet ein Viertel der politischen Macht in Washington. Auf deutsche Verhältnisse übertragen verfügen die Republikaner noch über drei weitere Haltelinien. Die erste Haltelinie ist der US-Senat. Die zweite Haltelinie ist das Weiße Haus. Und die vierte Haltelinie ist der Supreme Court.

Hinzukommt, dass Trump aus den Bundesrichtern inzwischen eine Art politische Justiz macht. Nur sind ganz stramm Konservative kommen überhaupt als Kandidaten in Betracht. Auf deutsche Verhältnisse übertragen ist das so, als ob nur noch Leute von Opus Dei überhaupt Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht werden könnten. Selbst wenn die Demokraten im US-Kongress in einigen Jahren ‚mal ein Gesetz durchbringen würden, besteht immer das Risiko, dass es vom Supreme Court kassiert würde. Die Republikaner werden die Bundesgerichte nach besten Kräften als Kassationsgericht (miss)brauchen.

Bezüglich der großen Hoffnungen der Demokraten, die auch in Europe grassieren – dass der demografische Wandel den Republikanern im Weg steht, so ist die entscheidende Zahl nicht das Jahr 2020 – sondern das Jahr 2049. Denn erst zur Mitte des Jahrhunderts wird die amerikanische Gesellschaft mehrheitlich aus Minderheiten bestehen.

Langfristig ist das für die Demokraten gut. Zwei Drittel der Hispanics und der Asiaten stimmen für die Demokraten, ein Drittel für Republikaner. Aber bis sich das alles im System wirklich auswirkt, werden die Republikaner einen ganz harten Kurs fahren und verteidigen ihre politische Macht mit allen Kräften bis zur letzten Sekunde verteidigen.

Jörg Schönenborn:

Was ist für uns die innenpolitische Bedeutung der Kongresswahlen?

Stephan Richter:

Wenn wir über die innenpolitische Bedeutung reden, dann müssen wir das Wort “Weimarisierung” in den Mund nehmen, aber mit Blick auf die USA – und nicht Deutschland. Donald Trump verteufelt die Medien, erklärt sie in kommunistischer Weise zu Volksfeinden und Verrätern des Volkes. Er hat damit die US-Medien zu den neuen Juden erklärt. Obendrein macht er Ausländer zu Unmenschen. Dabei ist die Immigranten die wahre Stärke der USA. Die Integration läuft dort hervorragend über den Arbeitsmarkt. Man schafft es oder man schafft es nicht. Aber dadurch ist das Land dynamisch.

Trump hingegen stimuliert systematisch den Furchttrieb der Amerikaner. Dabei hilft ihm, dass die meisten Menschen dort ohne finanzielle Rücklagen leben. Die damit verbundene hohe Unsicherheit kann man politisch ausnutzen. Und darin versteht sich Donald Trump sehr gut. Denn obwohl er vermeintlich Milliardär ist, hängt der Mensch immer an einer ewigen Kette von Krediten, hat Konkurs begangen und immer wieder mit großen finanziellen Schieflagen zu kämpfen. Daher versteht er die Seele der Menschen, die keinen genügenden Cashflow haben, blendend.

Dass diese Menschen oftmals keine bezahlbare Krankenversicherung haben, keine Jobsicherheit und dass es kein soziales Sicherungsnetz gibt wie bei uns in Deutschland, das stärkt Trumps Hand. Und dann setzt er ganz kaltblütig darauf, dass über 80% aller Steuererleichterungen ausschließlich dem obersten einen Prozent der Amerikaner zugutekommen.

Jörg Schönenborn:

Wird Trump wegen der Kongresswahlen nun zahmer?

Stephan Richter:

Es wird sich entweder nichts verändern — oder jedenfalls nicht zum Vorteil. Trump – das haben wir während der Pressekonferenz nach der Wahl gesehen – läuft herum wie ein verwundeter Löwe.

Die Demokraten müssen genau kalkulieren, was sie machen. Wenn sie ihm ein bisschen zu sehr an die Gurgel gehen, wird er immer irrationaler. Das bedeutet für die Politik nichts Gutes.

Man hofft auf einen Durchbruch bei Investitionen in die marode US-Infrastruktur. Das Infrastrukturprogramm gilt als die große Brücke zwischen Demokraten und Republikanern. Ob es wirklich dazu kommt ist die entscheidende Frage. Denn nachdem die Zwischenwahlen zum Kongress nun hinter uns liegen, läuft der Präsidentschaftswahlkampf 2020.

Die Amerikaner sind ein Volk, das im permanenten Wahlkampf lebt. Die Demokraten haben im Moment übrigens 25 verschiedene Kandidaten. Das bedeutet nichts Gutes für die amerikanische Politik und damit auch nichts Gutes für Europa.

Wir sollten uns auch daran erinnern, dass die einzige Macht, die die Demokraten momentan wirklich haben, daraus besteht, dass sie manches schlimmere im Repräsentantenhaus verhindern können. Aber sie können weniges positiv bis gar nichts gestalten.

Jörg Schönenborn:

Aber ist die US-Wirtschaftslage nicht viel besser?

Stephan Richter:

Momentan ja. Aber das ist eine Sonderkonjunktur, die von Trump aus wahltaktischen Gründen über bestimmte Ausgabenprogramme bewusst hochgepäppelt wurde. Dies geschah in einer Art und Weise, die fast an Erdogan erinnert.

Auch sind die US-Arbeitslosenzahlen künstlich niedrig gerechnet. So werden Amerikaner schnell statistisch nicht mehr in den Arbeitslosenzahlen geführt, auch wenn faktisch arbeitslos sind. Da ist viel Schmu dabei.

Auch haben die Amerikaner aktuell trotz Hochkonjunktur ein Budgetdefizit von 5%. Das wird wegen des Abklingens der Konjunktur zu Problemen führen.

Jörg Schönenborn:

Ist der Ausblick für Europa nicht deprimierend?

Stephan Richter:

Dass ist überhaupt nicht deprimierend. Wir müssen nur endlich aufhören, uns immer als Ableitungsfunktion von irgendwelchen politischen Verhältnissen in den USA zu verstehen. Wir sind irgendwie noch immer ziemlich unsouverän.

Wir sollten aber nicht glauben, dass Trump uns eine Hilfe bietet. Denn Trump geht es nur um eines, um Donald Trump.

Jörg Schönenborn:

Eine innenpolitische Frage: Wie bewerten sie die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz?

Stephan Richter:

Wenn wir, wie es scheint, auf eine wirtschaftlich schwierigere Zeit zusteuern nach über einem Jahrzehnt, in dem es Deutschland im Weltmarkt relativ Gold gegangen ist, gibt es gerade aufgrund der Tatsache, das Angela Merkel sehr wenig beim Thema Strukturreformen gemacht hat, eigentlich nur eine Wahl – Friedrich Merz. Sogar die SPD findet dessen Kanditatur gut.

Redaktionelle Anmerkung: Der Gesprächstext ist auf der Basis des Mitschnitts der Sendung redigiert.

 

 

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