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Die neue Spiegel-„Affäre“: Ein perfektes Symbol der neo-deutschen Krankheit der permanenten Selbstgeißelung

Erschienen in Focus (URL)

Wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet Der Spiegel des Rassismus bezichtigt werden würde? Die linksidentitäre Filterblase kennt keine logischen Grenzen.

Der „Spiegel“ hat gewiss seine Probleme im Umgang mit der Wahrheit. Das hat die Relotius-Affäre schonungslos klar gemacht. Und gewiss kämpft der „Spiegel“, so wie jedes Magazin, auch um Auflagenzahlen. Diese werden selbst im Online-Zeitalter weiterhin noch wesentlich von den Titelbildern der gedruckten Ausgabe bestimmt.

Der Spiegel hat gewiss seine Probleme im Umgang mit der Wahrheit. Das hat die Relotius-Affäre schonungslos klar gemacht. Und gewiss kämpft der Spiegel, so wie jedes Magazin, auch um Auflagenzahlen. Diese werden selbst im Online-Zeitalter weiterhin noch wesentlich von den Titelbildern der gedruckten Ausgabe bestimmt.

Wer aber der Spiegel-Chefredaktion anhand des neuesten Covers „Rassismus“ vorwerfen will, beweist nur, dass er oder sie oder es weder lesen noch logisch denken kann. Das ist bei den wenig beeindruckenden deutschen Ergebnissen beim PISA-Test vielleicht keine allzu große Überraschung. Problematisch ist es dennoch.

Denn wenn die aktuelle Ausgabe des Magazins zum Thema Corona-Virus „Made in China“ titelt und das mit dem Untertitel versieht „Wenn die Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird“, fragt sich der Betrachter schon, wieso es sich hier um ein „rassistisches“ Titelbild halten soll.

Genau das aber ist die neueste Aufregerthese in den sozialen Medien. Da wird nicht einmal verstanden, dass hier – nobel in der Denke angesichts der aktuellen Umstände – der Globalisierung (und damit der physischen Vernetztheit der Menschen) die Schuld gegeben wird. Aber eben nicht China.

Dabei hätte man letzteres gewiss auch tun können. Dies gilt umso mehr, als gerade die Chinesen selbst kein Problem damit haben, ihrer Regierung wegen deren Inkompetenz und Neigung zur Informationsverschleppung die Schuld für den so breiten Ausbruch des Virus zuzuweisen.

Und das zurecht: Die Kausalität, die zwischen der anfänglich ungestörten Virusverbreitung und einem kommunistischem Unterdrückerregime besteht, liegt auf der Hand. Wie in jedem totalitären Regime, rächt sich eben in solchen Momenten der Versuch einer Partei und Regierung, absolute Kontrolle über alles haben zu wollen.

Noch vor wenigen Jahren – und darauf hat die Spiegel-Redaktion wohl spekuliert – hätte der Verweis auf die Globalisierung all die richtigen Aufregerreflexe ausgelöst. Damals hätte man sich gebührlich an dem mit dem Thema Globalisierung verbundenen Emotionskanon abgearbeitet. Also vor allem an den bösen Amerikanern, am Proto-Kapitalismus und dem rüden Neoliberalismus.

Offensichtlich ist die Globalisierung, tragisch für die Spiegel-Redaktion, heutzutage nicht mehr der zentrale Beelzebub-Trigger. Im Deutschland von heute ist der Rassismus an allem schuld.

Und somit wird der Spiegel fälschlicherweise einer weiß-rassistischen Attitüde bezichtigt, Das war genau das, was die Redaktion vermeiden wollte – und was sie bei objektiver und logischer Betrachtung auch erfolgreich vermieden hat. Dementsprechend sind im Umgang mit dem Spiegel-Cover, schon rein grammatisch nachgewiesen, offensichtlich andere Kräfte am Werk.

Pikanterweise kommt bei der Spiegel-Cover-„Affäre“ derselbe, bewusst unternommene Diffamierungsvorwurf zum Tragen, dem sich letzten Sommer Carsten Linnemann, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ausgesetzt sah.

Der hatte sich dafür ausgesprochen, dass heranwachsende Grundschüler mit Migrationshintergrund, die große Sprachdefizite aufweisen, vor Beginn der Grundschule extra Sprachunterricht erhalten sollten. Das ist ebenso logisch wie empathisch und inkludierend gedacht. Dem CDU-Wirtschaftspolitiker Linnemann ging es darum, sicherzustellen, dass diese Kinder wenigstens mit annähernd gleichen Chancen in ihre Schulkarriere starten können.

Weder Linnemanns These noch das Spiegel-Cover sind in irgendeiner Weise Akte des Rassismus. In Wirklichkeit ist in beiden Fällen eine PR-Maschine am Werk, die man am besten mit der systematischen Erregung einer kollektiven Selbstgeißelungsattitüde beschreiben kann. Diese zielt in erster Linie auf die Identitätsstiftung bzw- affirmierung innerhalb der linksidentitären Bezichtigergruppe ab.

Damit aber sagt der gegen den Spiegel gerichtete Vorwurf letztlich nur etwas sehr Beunruhigendes über die Nöte der Bezichtigungstriggerer, aber nicht über den Spiegel selbst.

Das Magazin ist hier nur der nützliche Idiot, um uns wieder einmal den in diesem Fall in grotesker Weise fehlangewendeten Rassismus-Bazillus auszutreiben.

Um jeden Zweifel vorab auszuräumen: Ja, Deutschland hat ein Problem mit dem Rassismus. Aber damit diese menschenverachtende Einstellung energisch und vor allem effektiv bekämpft werden kann, sollte man sich beim Ruf „Rassismus“ schon sicher sein, dass er auch passgenau zutrifft.

Das ist beim aktuellen Spiegel-Cover gewiss nicht der Fall. Warum man sich an solchen offensichtlich fehlgerichteten Manövern abarbeitet, statt sich auf die Bekämpfung der evidenten, harten Fälle zu fokussieren, wird auf ewig das Geheimnis der Erreger-Blase bleiben. Smarte Politik ist das nicht.

Die größte Ironie bei alledem ist freilich, dass der Spiegel in seinem redaktionellen Normalbetrieb eine fleißige Schar von internen und -externen Kolumnisten unterhält. Auch diese machen sich geradezu einen Volkssport daraus, in jeder Ecke Rassismus zu verspüren.

Dabei schießen die Kommentatoren des Magazins tendenziell in ihrem Rückversicherungsbemühen im linksidentitären Raum oftmals über das an sich lobenswerte Ziel der Rassismusbekämpfung hinaus.

Was im Umkehrschluss nur eines beweist: Sich als Frontorganisation des unendlichen Rassismusvorwurfes zu positionieren, schützt einen in diesen verwirrten Zeiten keineswegs davor, vom generalisierten Vorwurfsbazillus nicht selbst betroffen zu werden.

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