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Bangkok – eine aufstrebende Weltstadt am Kliff

Barbara Willi/Flickr

Erschienen in Manager Magazin.

Der Bombenanschlag trifft die aufstrebende Millionenstadt Bangkok in mehrfacher Hinsicht. Thailands Hauptstadt ist von Konflikten und Gegensätzen geprägt – bleiben die ausländischen Gäste aus, sieht es für Bangkoks Zukunft düster aus.

Bangkok hat zwar keinen weißen Sandstrand, so wie dies bei den Anschlägen in Tunesien der Fall war. Aber ähnlich wie in Sousse wird der Enffekt in der thailändischen Hauptstadt womöglich der gleiche sein: die Ausländer werden ausbleiben. Damit wird ein zentraler Nerv der 14-Millionenmetropole getroffen.

Der Bauboom in der Metropole Bangkok zielt beim Verkauf der Luxus-Apartments ja vor allem auf Ausländer ab. Diesen gefällt unter anderem das jahrein, jahraus mit Seewinden säuselnde 30-Grad-Klima der Stadt ganz besonders.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die thailändische Regierung Menschen aus der westlichen Welt, die das Alter von 50 Jahren überschritten haben, es mittels eines immer wieder erneuerbaren „Rentner“visums ermöglicht, dort zu leben. Das sagt nicht nur mit Arthritis kämpfenden Menschen zu. Das Land verspricht sich von der Attraktion dieser Alterskohorte ganz einfach Wirtschaftswachstum.

Wer den Chao Phraya-Fluss, nach wie vor die Lebensader der Stadt, auf und ab fährt, der sieht, wie zügig sich die Stadt verändert – und sich dabei doch irgendwie treu bleibt. Die Flussufer, die einstmals hauptsächlich von chinesischen Händlern bewohnt worden, die dort auch gleich ihre kleinen Lagerhallen direkt am Fluss hatten, werden zunehmend von Boutique-Hotels durchsetzt. Die Grundidee ist, sehr viel mehr von einer echten Flusspromenade zu schaffen.

Gegensätze prallen aufeinander

Unter diesem Vorzeichen gewährt die Fahrt auf dem Fluss auch einen tiefen Einblick in die Seele der Metropole, weil hier im Moment sehr viel Gegensätzliches aufeinander prallt. Man spürt diese Kontraste besonders hautnah, wenn man nicht nur in einem der Touristenboote oder auch den von Bangkokern benutzten linienmäßigen Transportbooten den Fluss entlang fährt, sondern in einem der vielen kleinen Boote, die von lauten Motoren angetrieben den Fluss geradezu „bereiten.“

Wer als Ausländer den Fluss zumindest jeden zweiten oder dritten Tag auf die eine oder andere Art und Weise bereitet, wird nicht um hinkommen, an Saipan Thaksin ein- oder auszusteigen: Also genau an der Stelle, wo jetzt die zweite Bombe, die fehlgezündet ist, geworfen wurde.

Neben der Trauer um den Verlust vieler Menschenleben stellt sich noch eine breitere Trauer ein. Bangkok, die Hauptstadt Thailands, lebt bei aller Dynamik und Faszination direkt an einem Kliff. Dies ist kein physisches Kliff, sondern ein politisch-metaphorisches.

Zerrissenheit zwischen Gelb und Rot – Erneuerern und Bewahrern

Die Bevölkerung der Stadt und des Landes, ist zwischen den gelben und den roten Kräften, so genannt nach den T-Shirtfarben, die beide Gruppen sich zueigen gemacht haben, zerrissen. Und zwar in einer Weise, die der Unversöhnlichkeit zwischen Demokraten und Republikanern in den Vereinigten Staaten ähnelt.

Trotz dieser politischen Fragilität, bei der auch die stets undurchsichtige Rolle des Militärs eine gewichtige Rolle spielt, übt Bangkok weiterhin eine Faszination auf Ausländer aus. Das nicht nur wegen des weltbekannten „Street Food“ oder der unerschütterlichen Freundlichkeit der Thailänder.

Die Stadt ist auch eine faszinierende Mischung von Traditionellem und Hochmodernem. Trotz allen Umbruchs wird in Bangkok nicht alles so untergewalzt, wie dies in China der Fall ist. Obendrein haben die Thailänder auch einen großartigen Sinn für Farben und Design, von Möbeln und Innenarchitektur bis hin zum Bauen faszinierender Wolkenkratzer.

Und dann ist da, unbeeinträchtigt von aller unablässigen Großstadt-Hektik, die Grazilität der Thailänder im Umgang untereinander, mit Massen von anderen Menschen. Unvergesslich bleibt der Besuch des Khlong Toei-Marktes, wo man über Stunden hinweg vollkommen unter Thailändern eintauchen kann, ohne auch nur ein einziges westliches Gesicht zu entdecken.

Am Samstagmittag herrscht dort Hochbetrieb. Und dennoch: Trotz all der frischen, zur Schau gestellten Fische und Garnelen, der Hühner, noch befiedert oder schon geköpft und gezupft, und der Berge von verschiedenen Präparationen von Schweinefleisch, die dort in verschiedensten Gerichten Eingang finden, bleibt in der Erinnerung vor allem eines hängen: Trotz all der Menschenmassen, die die engen Wege des Marktes durchflossen, wurde man kein einziges Mal angerempelt.

Noch erstaunlicher, dass man trotz aller Marktbetriebsamkeit sich nicht an laut werdende Stimmen erinnern kann. Selbst die Preis ausrufenden Händler, die ihre Waren loswerden wollten, waren von der Tonlage her verhalten, obgleich effektiv.

Was wird nun aus der „Emerging Global City“?

Was wird nun? Noch vor einer Woche war Bangkok aus Sicht so gut wie aller Ausländer, die es für ein paar Tage, mehrere Monate oder auf Dauer dorthin verschlagen hatte, ein Festival fürs Leben. Eine wahre „Emerging Global City,“ eine Mischung von stolzer Landestradition und globaler Innovation und Lebensgefühl.

Die Apartment-Hotels der Stadt, die ausländischen Geschäftsleuten langfristig oder den vor allem aus Europa und den USA eingereisten jungen Familien mit Kindern für ein oder zwei Wochen Unterkunft boten, waren ein faszinierendes globales Potpourri. Dort war die Welt mit sich im Reinen.

Alle genossen die permanenten Innovationen und den hohen Wettbewerbsdruck der verschiedensten Restaurants, die nicht nur thailändisches, sondern auch Essen aus aller Welt offerierten. Manche haben sich zudem darauf spezialisiert, Oasen der Ruhe zu schaffen, wo man stundenlang hervorragenden Espresso und Cappuccino, verbunden mit innovativstem thailändischem Essen, genießen konnte. Und dazwischen in vielen Stadtteilen gesprenkelt immer wieder Überraschungen, etwa junge Franzosen, die mit Thailändern als Mitarbeitern Boulangeriekreationen schaffen, wie man sie noch nicht einmal in Paris gesehen hat.

Spekulationen um den Thronfolger – und um die Militärregierung

All das mag nun zu Ende sein, eingeholt von den inneren Widersprüchen Thailands, die über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder nur unter den Teppich gekehrt worden waren. Nichts ist in dieser Hinsicht bedeutsamer als die Reverenz gegenüber dem Königshaus. Dabei lebt das Land schon seit Jahren unter der Phobie des bevorstehenden Todes des hochverehrten Königs. Und pikanterweise ist die Königin schon seit Jahren nicht mehr mental zurechnungsfähig. Über den Thronfolger gibt es indes allerlei Spekulationen, unschön allesamt.

Und die Militärregierung, die angetreten war, um Ordnung zu schaffen, ist nicht nur in sich zerstritten. Sie hat auch nicht die Kompetenz, die Wirtschaft des Landes adäquat zu steuern. Die Angst vor Inflation und Wachstumsstillstand ist groß. Viele thailändische Haushalte sind bereits jetzt überschuldet.

Die Bomben haben den Widerspruch zwischen Bangkok und den vielen anderen Realitäten des Landes unnachgiebig an die Spitze der Tagesordnung gebracht, bis hin zum Konflikt mit muslimischen Bevölkerungsteilen des Landes. Wer auch immer der Urheber war: Genau das war wohl auch das Ziel des Attentats.

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