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Wie beurteilen Sie die Amtstätigkeit von Finanzminister Olaf Scholz in Sachen Wirecard? (Im ARD-Presseclub am 2.8.2020)

Stephan-Götz Richter:

Olaf Scholz spielt mindestens ein dreifaches Spiel. Einerseits hat er in TV-Interviews, zum Beispiel in den ARD-Tagesthemen, die Methode Sandmännchen angewandt und beteuert, ihm seien die Hände gebunden gewesen.

Dass er wirklich nichts unternehmen konnte, glaube ich nicht. Es gab genügend Anhaltspunkte und auch Rechtsgrundlagen, um bei Wirecard einzugreifen, wenn man es denn gewollt hätte.

Andererseits hat Scholz natürlich recht, wenn er sagt, das jetzt schnell – und gerade auch solange diese große Koalition noch besteht – gehandelt werden muss, um bei der Gesetzgebung und den Verordnungen nachzuschärfen.

Es gibt eine sehr reale Gefahr, dass die CDU – wenn jetzt ein Ermittlungsausschuss eingesetzt wird – erst einmal blockieren würde. Nach dem Motto “Wir wollen erst einmal abwarten und wollen keine gesetzgeberischen Maßnahmen, solange der Ausschuss aktiv ist.“ Dass wäre falsch. Der Skandal ist so groß, dass jetzt etwas getan werden muss, das ist völlig richtig.

Aber drittens, und das ist für mich der entscheidende Punkt, fragt sich mit Blick auf die Rolle von Olaf Scholz, ob wir in Deutschland wirklich zu effektiver Kontrolle in der Lage sind. So groß und gut ausgestattet unsere Verwaltung auch ist, sie agiert noch immer zu sehr mit einer Kaiserreich-Mentalität – und nicht im Sinne des Schutzes von Demokratie und demokratisch verankertem Kapitalismus. Das würde erfordern, den Missetätern ganz scharf auf die Finger zu schauen.

Aber dazu sind unsere Behörden bisher nicht imstande. Es gibt da irgendwo eine kuriose Form der Selbstbeschränkung gibt, wo sich dieser Staat – anstelle einer effektiven Kontrolle des Kapitalismus und der Finanzwelt – selbst Handschellen anlegt.

Diese Zusammenhänge spricht Finanzminister Scholz leider gar nicht an. So bleibt auch die Frage unbeantwortet, wie wir den erforderlichen Verhaltenswandel so schnell hinbekommen wollen.

Das würde einen massiven Personalaustausch erfordern. Aber selbst dann fragt sich, ob die zuständigen Beamten sich dann so ändern, dass sie einen radikalen Kulturwandel nach dem Motto “Wir müssen hier echt nachgucken” hinkriegen. Das wäre zu hoffen, aber es ist wohl eher ein hehrer Traum.

Anmerkung: Überarbeitete Fassung der Diskussionsbeiträge von SGR im Rahmen der ARD-Presseclub-Sendung vom 2.8.2020 zum Thema Wirecard (31:10 – 33:03)

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