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Werden wir Skandale wie Wirecard in Zukunft verhindern können? (Im ARD-Presseclub am 2.8.2020)

Stephan-Götz Richter:

Dass ist natürlich zu wünschen. Die Frage ist, ob uns das gelingen kann. Denn solange es in den etablierten Strukturen weiterhin so viel gemeinschaftliches, zumindest betriebsblindes Handeln zwischen den Aufsichtsbehörden, dem Gesetzgeber und der Politik gibt, ist das schwierig.

Zum einen ist die Personalbereich nicht so üppig ausgestattet. Zudem sind die Sachfragen hochkomplex. Aber der Vorschlag, die Aufsichtsaufgaben jetzt verstärkt in private Hände zu legen, halte ich für nicht zielführend. Ich habe lange Jahre in den USA gelebt, wo solche Ideen immer wieder propagiert werden. Aber es hat sich immer wieder erwiesen, dass eine Privatisierung kaum zu Positivem führt, weil sich die Industrie dann immer irgendwie arrangiert und sich gegenseitig die Hände weiß wäscht.

Im Kern geht es hier um einen Mentalitätswandel. Es geht etwa darum, die Aufgabe der Wirtschaftsprüfung sehr ernst zu nehmen – und nicht nur die Honorareinsammlung. Keine Frage, die Prüfung ist etwas sehr schwieriges, aber es muss eben auch mit einem gewissen gegnerischen Geist betrieben werden. Andernfalls besteht eine große Gefahr, dass man so wie bei Wirecard an der Nase herumgeführt wird.

Deshalb müssen für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch die Schadensersatzpflichten deutlich schmerzlicher ausgestattet sein. Im Moment sind diese sehr beschränkt.

Letztlich muss in Fällen wie bei Wirecard auch ein Existenzrisiko für den ganzen Wirtschaftsprüfungskonzern bestehen. Denn das würde dann dazu führen, dass man sich intern gegenüber dem jeweiligen Kunden auch wirklich auf die Hinterbeine stellen würde. Erst wenn gegenüber dem Kunden gesagt wird, wir können das so einfach nicht testieren, weil wir uns nicht hinreichend sicher sind, wird es dort zu einem Kulturwandel kommen.

Das ist meines Erachtens eine der entscheidenden Fragen, bei der nachgeschärft werden muss. Dieses Gentlemen´s Agreement “Naja, wenn ihr einen Fehler macht, dann kriegt ihr einen kleinen Schlag auf die Hand und müsst vielleicht ein paar Millionen zahlen” ist eben nicht genügend, um die internen Apparate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften so auszurichten, dass sie nicht Handeln wie Behörden – nämlich nach dem Motto “das wird schon alles hinhauen.”

Video des ARD-Presseclubs vom 2.8.2020 zum Thema Wirecard, Minute (54:24 – 56:10)

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